Kunst im ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten
Alle Stockwerke des Hauses sind künstlerisch gestaltet. Hier können Bewohner:innen zeitgenössische Kunst genießen.
Die oberösterreichische Künstlerin Birgit Schweiger thematisiert in ihren Arbeiten im ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten menschliches Werden und Vergehen, Entfaltungen und Beziehungen. Mit der ÖJAB ist Birgit Schweiger seit mehreren Jahren verbunden. 2019 hat sie das ÖJAB-Haus Niederösterreich 1, Studierenden- und Jugendwohnheim in Wien künstlerisch gestaltet. Die Themen, mit denen sie sich beschäftigt, stimmen mit der Haltung und dem sozialen Selbstverständnis der ÖJAB in hohem Maße überein.
Birgit Schweiger, 1970 in Ried/Innkreis geboren, lebt und arbeitet in Neulichtenberg bei Linz in Oberösterreich.
In der flächen- und etagenübergreifenden Raumkonzeption im Pflegewohnhaus realisiert Birgit Schweiger ihre Vorstellung von einem solidarischen Miteinander. Von einer Welt, in der Kunst und Leben einander bestimmen – in Ruhe und Gelassenheit, Autonomie und Sozialität wie auch in Lebendigkeit, Freude und Empathie. Diese und viele andere Aspekte, wie Anerkennung und Respekt, werden im ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten täglich gelebt – als Grundpfeiler eines guten Lebens.
Im Mittelpunkt ihrer Arbeiten steht immer der Mensch, der sich als Teil eines Ganzen versteht, mit seiner Außenwelt interagiert, der aber auch für sich wirken, leben und mit sich alleine sein kann. Fügt man die Komponente Zeit hinzu, so entstehen Verbindungen, die wie gespannte Fäden, in ihren Verzweigungen und Bündelungen, einem philosophisch-aristotelischen Gedanken folgend, ihr Ziel schon in sich haben. Diese substanziellen Gedanken- und Lebenswege ziehen sich durch den Raum und bilden ein ephemeres, metaphysisches Gebilde, das – je nach Blickpunkt – sein Wesen moduliert.
So versteht sich auch der Mensch, eingespannt in einer mit Fäden umgarnten Kugel, als Maß aller Dinge, der das anthropozentrische Weltbild symbolisiert. Die Künstlerin verweist aber auch darauf, dass der Mensch in seiner Autarkie, der sich scheinbar frei und grenzenlos im Raum bewegt, trotz alledem mit der Welt, mit der Natur verbunden und ein untrennbarer, unlösbarer Teil von ihr ist. Dies wird auch in den Wandgemälden symbolisiert. Die konkrete Naturdarstellung geht langsam über in die Abstraktion, von einem Werden zu einem langsamen Vergehen bis hin zu einer stillen Monochromie, nur mehr aus Licht und Farbe bestehend.
Im ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten war es der Künstlerin ein Anliegen, das Leben, das Wachsen, Werden und Vergehen, sowie Verbundenheit und Freude in der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Die großformatige Zeichnung, die sich vom dritten bis in den vierten Stock zieht, spiegelt diese Themenbereiche wider. Mit schwarzem Pigmentmarker reagiert die Künstlerin teilweise spontan auf die Situation des Raumes, auf Interaktionen, die sie während des künstlerischen Arbeitens im Haus beobachtete. Es war ihr wichtig, auch mit Bewohner:innen sowie Mitarbeiter:innen in Kontakt zu treten, um ein Gefühl für das Zusammenleben im Pflegewohnhaus zu bekommen. Auf der Wandzeichnung sieht man links unten eine Frau, die gewissermaßen einen Film aufspannt, der sich über die gesamte Fläche zieht. Linien führen ein Eigenleben und verbinden sich mit Figuren, die verschiedene Lebensabschnitte- und Situationen zeigen. Dabei dürfen zwischenmenschliche Interaktionen – auch mit tierischen Begleitern – nicht fehlen, und so lädt das Bild zum Verweilen und Träumen ein.
In den Übergängen zu den Wohnbereichen befinden sich links und rechts fotografische Arbeiten, gedruckt auf Alu-Dibond-Platten, die die Themen der im Haus entstandenen Arbeiten aufgreifen.
Die "Grünwand"
Die “Grünwand”, wie Birgit Schweiger selbst die Komposition aus 13 teilweise großformatigen Ölgemälden im 4. und 5. Obergeschoss nennt, zeigt einen Verlauf von einer gegenständlichen Naturdarstellung im linken oberen Bereich, der sich bis rechts unten in den je einzelnen Bildern in Grün- und Lichtflächen auflöst. Auf Zwischenbildern sind auch figürliche Erscheinungen zu sehen, die sich den Betrachter:innen erst auf den zweiten Blick zu erkennen geben. Es ist ein sanfter Prozess, der das satte Grün in den Vordergrund hebt und gleichzeitig Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Eine grüne Umarmung.
“Anthropos”
Die Installation an der Decke des obersten Geschoßes mit dem Titel “Anthropos”, besteht aus herabhängenden Kugeln, die aus jeweils gelötetem Draht und umwickelt mit sehr feinen, weißen Fäden, in ihrer Zartheit den Blick erst bei genauerer Betrachtung auf sich ziehen. Sie symbolisieren eigene Universen, in denen sich Menschen in unterschiedlichsten Posen befinden, immer verbunden mit ihrer Welt. Die Zartheit zeugt auch von der Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens. Keine Welt ist größer als die andere, alle Welten sind gleichwertig. Je nach Lichteinfall und Tageszeit wirken und leuchten die Kugeln immer anders. So wie das Leben. Luftig und leicht, spielerisch, tänzerisch und ruhend.